Frau Berger, 49, fühlt sich schlapp. Schnupfen, Halsschmerzen, leichter Husten – eine typische Erkältung kündigt sich an. Beim Hausarzt fragt sie vorsorglich nach einem Antibiotikum, „damit es nicht schlimmer wird“. Der Arzt lehnt freundlich ab: „Das bringt bei viralen Infekten nichts – und kann sogar schaden.“
Was viele nicht wissen: Die meisten Erkältungen werden durch Viren verursacht. Antibiotika helfen aber ausschließlich gegen Bakterien. In diesem Artikel erfährst du, warum der Griff zum Antibiotikum bei Husten, Schnupfen & Co. meist unnötig – und in manchen Fällen sogar riskant ist. Und warum ein bewusster Umgang mit Medikamenten auch langfristig deine Gesundheit schützen kann.
Erkältung oder bakterielle Infektion – wo liegt der Unterschied?
Eine Erkältung (auch grippaler Infekt genannt) ist eine durch Viren ausgelöste Atemwegserkrankung. Typische Auslöser sind Rhinoviren, Adenoviren oder Coronaviren – sie befallen die Schleimhäute von Nase, Rachen und Bronchien. Meist beginnt die Erkrankung schleichend mit:
- Halsschmerzen
- Schnupfen
- leichtem Fieber
- Husten
- Abgeschlagenheit
Nach wenigen Tagen kommt oft Reizhusten hinzu, der sich innerhalb einer Woche bessert. In 90–95 % der Fälle heilt eine Erkältung von allein aus – das Immunsystem leistet ganze Arbeit. Die Symptome dauern meist 7–10 Tage, können aber auch bis zu zwei Wochen anhalten. Wichtig: Auch wenn du dich krank fühlst, ist das kein Zeichen für eine bakterielle Infektion – sondern ein ganz normaler Teil des Heilungsverlaufs.
Eine bakterielle Infektion hingegen tritt meist nach einer viralen Erkältung auf („Superinfektion“), etwa wenn sich Bakterien auf vorgeschädigtem Gewebe ansiedeln. Dann können sich Symptome verstärken oder verändern:
- Hohes, anhaltendes Fieber (über 38,5 °C)
- Eitriger Auswurf (gelb-grünlich, dickflüssig)
- Starke, einseitige Halsschmerzen oder geschwollene Lymphknoten
- Schmerzen in den Nebenhöhlen mit Druckgefühl im Gesicht
- Plötzliches Wiederauftreten von Symptomen nach erster Besserung
In solchen Fällen kann ein Antibiotikum sinnvoll sein – aber eben nicht bei klassischen Erkältungssymptomen. Eine ärztliche Untersuchung hilft, den Unterschied zu erkennen.
Warum helfen Antibiotika nicht gegen Erkältungen?
Antibiotika wirken gezielt gegen Bakterien. Sie greifen in deren Zellstoffwechsel ein, zerstören Zellwände oder verhindern die Vermehrung. Viren hingegen besitzen keinen eigenen Stoffwechsel – sie kapern menschliche Zellen und lassen sich von deren Mechanismen vervielfältigen.
Deshalb sind Antibiotika bei Virusinfekten wirkungs- und sinnlos. Das Problem: Viele verwechseln ihre Wirkung mit einem schnellen Gesundwerden. Doch der scheinbare Effekt entsteht oft einfach durch die natürliche Heilung des Körpers – nicht durch das Medikament.
Im Gegenteil: Eine unnötige Einnahme kann Nebenwirkungen auslösen – darunter Magen-Darm-Beschwerden, Hautreaktionen oder Pilzinfektionen. Auch die Darmflora leidet, was sich negativ auf die Abwehrkräfte auswirken kann.
Die unterschätzte Gefahr: Antibiotikaresistenz
Antibiotikaresistenzen gehören laut WHO zu den größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit. Je häufiger – und unnötiger – Antibiotika eingenommen werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Bakterien daran anpassen. Diese sogenannten „multiresistenten Keime“ lassen sich mit herkömmlichen Medikamenten nicht mehr bekämpfen – und stellen vor allem in Kliniken ein hohes Risiko dar.
Ein paar alarmierende Fakten:
- In Deutschland sterben jährlich mehrere Tausend Menschen an Infektionen mit resistenten Keimen.
- Weltweit könnten bis 2050 über 10 Millionen Menschen jährlich daran sterben, wenn keine Gegenmaßnahmen erfolgen.
- Jeder unnötige Einsatz – etwa bei Erkältungen – beschleunigt diese Entwicklung.
Besonders bedenklich: Neue Antibiotika werden immer seltener entwickelt, da die Forschung aufwendig und teuer ist. Umso wichtiger ist es, bestehende Wirkstoffe zu schützen.
Warum werden Antibiotika trotzdem oft verschrieben?
Viele Ärztinnen und Ärzte verschreiben Antibiotika aus einem Mix aus Zeitdruck, Sicherheitsdenken und Patientenerwartung. Manche Patient:innen fordern regelrecht ein Rezept – aus Sorge, dass sich die Erkältung „festsetzt“. Andere wollen möglichst schnell wieder arbeiten gehen oder glauben, ohne „etwas Starkes“ werde es nicht besser.
Dazu kommt: Manchmal ist die Diagnose schwierig. Nicht immer lässt sich im Erstgespräch eindeutig unterscheiden, ob eine bakterielle Infektion vorliegt. Einige Praxen nutzen heute CRP-Schnelltests (C-reaktives Protein), die helfen können, eine bakterielle Ursache einzugrenzen. Diese Tests geben innerhalb weniger Minuten Hinweise darauf, ob eine Entzündung vorliegt, bei der Antibiotika hilfreich wären.
Was hilft wirklich bei Erkältungen?
Die gute Nachricht: Die meisten grippalen Infekte lassen sich gut symptomatisch behandeln – also durch Maßnahmen, die die Beschwerden lindern, bis das Immunsystem die Viren beseitigt hat. Dazu gehören:
- Viel trinken (Wasser, Kräutertees, warme Brühe)
- Ausreichend Ruhe und Schlaf – der Körper braucht Erholung zur Abwehr
- Inhalieren mit Salzwasser oder ätherischen Ölen (befreit die Atemwege)
- Nasenduschen und abschwellende Nasensprays (nicht länger als 5–7 Tage)
- Hausmittel wie Ingwertee, Zwiebelsaft, Honig mit Zitrone oder heiße Zitrone
Auch pflanzliche Mittel mit Thymian, Efeu, Myrtol oder Pelargonium (z. B. Umckaloabo) können helfen, Schleim zu lösen, Husten zu lindern und die Heilung zu fördern. Wärme (z. B. Wärmflasche, heißes Fußbad), leichte Bewegung an der frischen Luft und vitaminreiche Ernährung unterstützen zusätzlich die Regeneration.
Wie lange dauert eine normale Erkältung?
Viele Menschen erwarten, dass eine Erkältung nach zwei, drei Tagen wieder vorbei ist. In der Realität dauert ein grippaler Infekt häufig:
- 3 Tage: Die Beschwerden beginnen
- 3–5 Tage: Die Symptome verschlimmern sich
- 5–7 Tage: Allmähliche Besserung
- 7–10 Tage: Abklingen der meisten Symptome
Husten kann sich teilweise noch zwei bis drei Wochen halten. Auch Erschöpfung oder Konzentrationsprobleme sind nach überstandener Infektion nicht ungewöhnlich. Wichtig ist, dem Körper wirklich die Zeit zu geben, die er braucht.
Wann ist ein Arztbesuch wichtig?
In den meisten Fällen genügt Selbstbehandlung. Es gibt aber Warnzeichen, bei denen ärztlicher Rat unbedingt nötig ist:
- Fieber über 39 °C oder anhaltend über 38,5 °C
- Starke Atemnot, pfeifende oder rasselnde Atmung
- Eitriger oder blutiger Auswurf
- Plötzlich starke Kopfschmerzen oder Nackensteifigkeit
- Einseitige Ohrenschmerzen mit Hörminderung
- Schmerzen im Brustkorb beim Husten
- Wiederkehrende Symptome nach kurzer Besserung
Gerade bei älteren Menschen, Kindern und chronisch Kranken ist die Schwelle für einen Arztbesuch niedriger. Lieber einmal zu viel abgeklärt als eine beginnende Lungenentzündung übersehen.
Antibiotika – wann sie wirklich gebraucht werden
Es gibt Situationen, in denen Antibiotika Leben retten können – zum Beispiel bei:
- Lungenentzündungen mit bakterieller Ursache
- Mittelohrenzündungen mit eitrigem Ausfluss
- Streptokokken-Angina (bestätigt durch Abstrich oder Schnelltest)
- Bakteriellen Nebenhöhlenentzündungen mit starken Symptomen über mehr als 10 Tage
- Harnwegsinfekten mit Fieber oder beginnender Nierenbeteiligung
Hier ist ein Antibiotikum oft der einzig wirksame Weg zur Heilung. Entscheidend ist eine zielgerichtete Verordnung – mit einem passenden Präparat, in der richtigen Dosierung und über den angemessenen Zeitraum.
Fazit: Antibiotika nur, wenn sie wirklich nötig sind
Antibiotika sind ein Segen der modernen Medizin – wenn sie gezielt eingesetzt werden. Bei klassischen Erkältungssymptomen helfen sie nicht, können aber Schaden anrichten. Deshalb gilt:
Viraler Infekt = keine Antibiotika.
Symptome lindern, Körper stärken, auf Warnzeichen achten – das ist bei Erkältung der richtige Weg. Und wenn doch Bakterien im Spiel sind? Dann greift man gezielt ein – mit dem passenden Wirkstoff zur richtigen Zeit. Das schützt nicht nur dich, sondern auch die Wirksamkeit der Antibiotika für alle.
Merksatz: Nicht gegen Viren kämpfen mit Kanonen, sondern den Körper bei seiner natürlichen Heilung unterstützen.